EU beschließt drittes Sanktionspaket am Wochenende

Einschneidende Maßnahmen, aber keine Rohstoffblockade

Die Europäische Union (EU) hat am Wochenende ein drittes Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Konkret wurden bestimmte russische Banken aus dem internationalen Finanzdatensystem SWIFT ausgeschlossen. Weitere Maßnahmen richten sich gegen die Russische Zentralbank. Konkret soll der Einsatz der dort gehaltenen mehr als 600 Mrd. Euro an Währungsreserven stark eingeschränkt werden, insbesondere sollen Währungsinterventionen zur Stützung des Rubel unmöglich gemacht werden. Hinzu kommen verstärkt Sperrungen des Luftraumes für russische Airlines sowie Schritte gegen russisches Schlüsselpersonal (sog. „Oligarchen“).

EU zeigt Geschlossenheit, schützt aber ihre Achillesverse „Energieversorgung“

Mit der Entscheidung hat die EU ihre gestärkte Einigkeit und Entschlossenheit demonstriert. Die Maßnahmen sind eine deutliche Verschärfung der Gangart und dürften einschneidende Wirkung auf Russland haben. Gleichzeitig folgen die bislang verhängten Sanktionen einem klaren Muster: Der Schaden für die russische Regierung soll maximiert, die Einbußen für die westlichen Volkswirtschaften minimiert werden. Auf dieser Ratio gründen letztlich auch die am Wochenende beschlossenen Initiativen. Gezielt ausgenommen werden z.B. vom SWIFT-Ausschluss im Rohstoffhandel tätige Institute bzw. auch entsprechende Finanztransaktionen. Wie genau man diese Unterscheidung organisieren will, wird derzeit noch geprüft. Der Zahlungsverkehr beim Export von Öl, Gas und Kohle nach Westeuropa soll also nicht behindert werden, um Moskau keinen Vorwand für die Einstellung der Lieferungen zu geben.

zeigt sich also deutlich die Achillesverse des Westens und insbesondere der Europäer. Denn während der Warenverkehr mit Russland für die meisten EU-Länder nur von verkraftbarer Bedeutung ist, herrscht eine hohe Abhängigkeit in der Energieversorgung. Man setzt daher in den westlichen Hauptstädten eher auf die Wirkung der Sanktionen gegen den Finanzsektor insgesamt sowie gegen die russische Industrie, die vom Import dringend benötigter Hochtechnologie abgeschnitten werden soll.

Bundeskanzler Scholz sieht „Zeitenwende“

Für Aufmerksamkeit sorgte am vergangenen Wochenende auch die für Sonntag angesetzte Sondersitzung des Deutschen Bundestages, bei der Bundeskanzler Scholz in einer Regierungserklärung eine deutliche Neukalibrierung der deutschen Position vorgenommen. Konkret soll der Wehretat dauerhaft über das NATO-Ziel von zwei Prozent des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) steigen. Zu diesem Zweck soll ein Sondervermögen gegründet und finanziert werden, sodass laut Aussage von Finanzminister Linder ab dem Jahr 2023 wieder die Schuldenbremse eingehalten werden soll. Darüber hinaus sollen zwei Terminals für Flüssiggas (Liquid Natural Gas, LNG) so schnell wie möglich in Wilhelmshafen und Brunsbüttel gebaut werden.

Mit der Rede machte Bundeskanzler machte Bundeskanzler Scholz klar, dass Deutschland künftig stärkere Einbußen zur Eindämmung der russischen Aggression in Kauf nehmen will.

Russische Gegenmaßnahmen zu erwarten

Diese veränderte Rhetorik sowie die beschlossenen Maßnahmen treffen auf harte Kritik in Moskau. Der Kreml gab eine Intensivierung der Operationen „in alle Richtungen“ bekannt und versetzte zudem die Abschreckungsstreitkräfte in Alarmbereitschaft. Weitere Schritte könnten in Vorbereitung sein, z.B. auch auf ausländische Investitionen in russische Assets.

Mögliche weitere Gegenmaßnahmen wären etwa ein mögliches staatliches Verbot von Zins- und/oder Dividendenzahlungen sowie Endfälligkeiten russischer Emittenten. Zudem könnte auch die Rückzahlung von Krediten an ausländische Investoren theoretisch untersagt werden. Der Handel für russische Wertpapiere (wie z.B. lokale russische Anleihen) wurde seit dem Wochenende für Ausländer bereits als Reaktion auf die Maßnahmen des Westens eingeschränkt. Weitere Schritte können in der aufgeheizten Situation derzeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Inwieweit eine weitere Eskalation mit der Einstellung von Zahlungen auf Wertpapiere aufgrund des russischen Kapitalbedarfs auch für Russland vorteilhaft wäre, bleibt fraglich zu sehen, da auch die Glaubwürdigkeit und Reputation darunter enorm leiden und der Zugang zu westlichen Kapitalmärkte für russische Emittenten auf Jahre hinaus beeinträchtigt wäre.

De facto wurden nur etwa die Hälfte der russischen Devisenreserven eingefroren. Ob und wofür die restlichen Reserven sowie die Exporterlöse der Unternehmen in Hartwährung verwendet werden, ist aktuell fraglich und wird sich erst in den kommenden Tagen abschließend beantworten lassen. Zur Stützung des Rubels hat die Zentralbank heute Vormittag (28. Februar) bereits die Leitzinsen auf 20 Prozent angehoben.

Mit einem Exportstopp von Rohstoffen durch Russland rechnen wir derzeit nicht. Hier gilt letztlich die gleiche Ratio: Russland ist auf die Deviseneinnahmen aus dem Verkauf von Bodenschätzen angewiesen – nach der Verhängung zusätzlicher Sanktionen mehr denn je. Ein Verschärfung würde das Land wirtschaftlich damit auch selbst hart treffen, während es sich ohnehin in bereits schwieriger Lage befindet.

Wir rechnen daher zwar mit russischen Gegenmaßnahmen und einer weiteren Verschärfung der Rhetorik. Eine fatale Sanktionsspirale erwarten wir aber nicht.

Kapitalmarktumfeld bleibt angespannt, aber keine deutliche Verschlechterung

In der vergangenen Handelswoche haben die Kapitalmärkte auf den initialen Schock der russischen Invasion mit Abverkäufen bei Risikoassets reagiert. Allerdings kam es kurz darauf zu einer merklichen Gegenbewegung. Insgesamt blieb die Volatilität auch gegen Ende der Handelswoche hoch.

An diesem Bild dürfte sich auch mit den Nachrichten vom Wochenende nichts grundlegend ändern. Wir sehen in den Entwicklungen keine Verbesserung der Lage, aber auch keine neue Stufe der Eskalation auf den für die Börsen ausschlaggebenden Feldern. Das Kapitalmarktumfeld bleibt damit angespannt und von Unsicherheit geprägt. Wie sich die Situation in der Ukraine, in den westlichen Hauptstädten und in Moskau weiter entwickelt, ist in der aktuellen Lage kaum zu antizipieren. Daher empfiehlt sich aktuell eine abwartende Haltung.

 

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
28. Februar 2022, soweit nicht anders angegeben.