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#Green China

Dicke Luft in Peking

Dicke Luft in China

Chinas Wachstum wird weiterhin mit sehr viel Kohle befeuert, und das ist ein Problem.

Mit der Ratifizierung des Klimaabkommens von Paris könnte China eine Schlüsselfunktion bei der Begrenzung der Welttemperatur übernehmen. Doch noch kämpft das Reich der Mitte mit gigantischen Umweltproblemen. Florian Sommer, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei Union Investment, war vor Ort.

Noch fällt die Umweltbilanz der Volksrepublik alles andere als positiv aus. Das rasante Wirtschaftswachstum der vergangenen 20 Jahre mit oft zweistelligen Wachstumszahlen wurde zum Großteil mit fossilen Kraftstoffen befeuert. 2015 lag der Anteil von Kohle an Chinas Energiegewinnung bei 71 Prozent. Zwar ist diese Zahl durch die Diversifizierung des Energiemix seit einigen Jahren rückläufig, aber sie befindet sich immer noch auf einem enorm hohen Niveau. China verursacht mehr Treibhausgase als die USA und die Europäische Union zusammen.

Wo der Smog Alltag ist

Die Auswirkungen spürte Florian Sommer, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei Union Investment, bereits bei seiner Ankunft in der Hauptstadt Peking, die er bei einer Nachhaltigkeitsresearch-Reise im November 2016 besuchte. „Obwohl der Himmel über Peking wolkenfrei war, konnten man keine 200 Meter weit sehen, weil der Smog so dicht war. Ich war erst mal schockiert über die Luftqualität und habe mir eine Atemschutzmaske gekauft“, berichtet Sommer. Die Feinstaubbelastung lag zurzeit seines Besuchs bei 335 parts per Million (ppm). Die WHO sieht einen Jahresschnitt von weniger als zehn und einen Tagesschnitt von weniger als 25 als unbedenklich an. Wenn in Europa mal höchster Smogalarm herrscht, etwa in London oder in Paris, dann reichen die Werte gerade mal an die 100 ppm heran. Und Peking ist bei Weitem nicht die einzige Großstadt mit diesen Problemen: 80 Prozent der 364 chinesischen Städte leiden unter schwerer Luftverschmutzung. Die Todesrate als indirekte Folge des Smogs liegt bei 1,2 Millionen Sterbefällen pro Jahr. Auch die Gewässer Chinas sind stark verschmutzt. 25 Prozent der chinesischen Flüsse gelten vor allem durch Industrieabwässer als so verschmutzt, dass allein schon der Hautkontakt mit ihnen gesundheitsbelastend ist. 60 Prozent des Grundwassers entsprechen nicht der Trinkwasserqualität. Die Folgen betreffen auch die Landwirtschaft: Jahr für Jahr gelten rund zwölf Millionen Tonnen Getreide als kontaminiert. Das entspricht der Nahrung für 24 Millionen Menschen.

Ausmaß der Umweltprobleme in China

Die Regionen mit der größten Smogbelastung

Ausmaß der Umweltprobleme in China

Gesellschaftlicher Sprengstoff

Die chinesische Regierung hat die Risiken dieser Entwicklung erkannt, nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Gesellschaft. Proteste gegen die Umweltverschmutzung machten 2014 rund 50 Prozent der Massendemonstrationen in der Volksrepublik aus. Inzwischen steuert der Staat mit gezielten Maßnahmen dagegen. Die Ziele zur Umwelt im jüngsten Fünfjahresplan sind ambitioniert und befeuern auch das Marktwachstum für grüne Technologien „made in China“, zum Beispiel Solarzellen, Windturbinen, LEDs und jetzt auch Elektroautos.

Kohleförderung wirft weitere Probleme auf

Doch wird in China nicht nur weiterhin sehr viel Kohle verbrannt, sondern auch gefördert. Und eben diese Förderung in chinesischen Minen wirft weitere Probleme auf. Das stellte Florian Sommer im November 2016 bei seinem Besuch einer Kohlemine in Datong in der nordchinesischen Shanxi-Provinz fest. Sommer suchte bei dieser Reise auch den Dialog mit mehreren Kohleunternehmen in der Region (u. a. China Coal Energy, China Shenhua Energy, Huaneng Power International und CLP Holdings Limited).

Gesprächsergebnisse nicht befriedigend

„Die Gespräche mit den Unternehmensvertretern waren konstruktiv, im Ergebnis aber in vielen Teilen nicht befriedigend“, resümiert Sommer. Insbesondere beim Thema Transparenz und dem Bekenntnis zum CDP-Standard konnten die meisten Unternehmen die Forderungen von Union Investment nicht erfüllen. CO2-Emissionen werden nicht veröffentlicht, und es gibt auch keine Absicht, dies in naher Zukunft zu tun. In anderen Bereichen konnten die Firmen bessere Ergebnisse vorweisen, insbesondere bei den Themen Sicherheit und Luftverschmutzung. Allerdings beschränken sich die Unternehmen auf die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben wie der Implementierung des „Super Low Emission Standards“ in Kohlekraftwerken zur Verringerung von Stickoxiden (NOx), Schwefeloxiden (SOx) sowie Feinstaub. Eine Reduktion des klimaschädlichen CO2 ist jedoch kein Bestandteil dieses Standards.

Union Investment meidet Kohleunternehmen

Die insgesamt unbefriedigenden Gesprächsergebnisse in China zum Thema Kohle haben Union Investment darin bestärkt, generell nicht mehr in Kohleunternehmen zu investieren. Kohle ist der klimaschädlichste fossile Brennstoff, und eine zusätzliche Förderung ist aus Nachhaltigkeitssicht sehr negativ zu bewerten. Im Dezember 2016 beschloss Union Investment, die Anteile an Kohleunternehmen zu veräußern. Betroffen sind weltweit alle Unternehmen, die mehr als 30 Prozent ihres Konzernumsatzes durch Kohleförderung erwirtschaften.

Handlungsbedarf in Sachen Nachhaltigkeit

Das Umweltthema gehört mittlerweile zu den wichtigsten politischen Prioritäten in China. Nicht auf internationalen Druck, sondern weil die Chinesen selber sehr unzufrieden sind. Umweltprobleme wie Luftverschmutzung gefährden den gesellschaftlichen Frieden, und das möchte in Chinas Regierung niemand. Daraus resultieren gezielte Gesetze und Aktionspläne zur Verbesserung der Luft-, Wasser- und Bodenqualität. Und die Behörden setzen das auch durch. Beispielsweise wird mit Drohnen und Satellitenbildern überprüft, ob die Bauern Biomasse verbrennen. Wer das tut, riskiert empfindliche Strafen. Natürlich gibt es noch viel zu tun. Ich habe beispielsweise eine Kohlemine in Nordchina besucht und gesehen, dass sich zwar schon einiges zum Guten verändert hat: Die Arbeitsstandards werden heute besser eingehalten als noch vor einigen Jahren, und entsprechend geht die Zahl der Arbeitsunfälle deutlich zurück. Aber trotzdem verunglücken Jahr für Jahr noch sehr viele Menschen – 2015 waren es immerhin erstmals weniger als 1.000 – in den Kohleminen. Unter der Berücksichtigung aller drei ESG-Aspekte gibt es aber noch großen Handlungsbedarf in vielen Betrieben der chinesischen Kohleindustrie: Governance-Kriterien, die uns hier in Europa oder in den USA enorm wichtig sind, werden in China gelinde gesagt stiefmütterlich behandelt. Hier fehlt es sowohl an der Transparenz als auch am Willen, etwa am Carbon Disclosure Project teilzunehmen. Aus diesen Gründen fallen einige Namen für uns als Investment auch von vorneherein aus. Bei den grünen Technologiebranchen ist die Frage wichtig, welche Unternehmen über lokale Größe hinauswachsen und den globalen Durchbruch schaffen können. Die meisten Unternehmen bleiben wohl „nur“ chinesische Akteure. Wir sind aber überzeugt, dass sowohl bei Batterien als auch bei Elektroautos das Potenzial für neue Global Player aus China durchaus vorhanden ist, ähnlich wie wir das bei Solarzellen- und LED-Herstellern schon erlebt haben.

Florian Sommer

Florian Sommer

Leiter Nachhaltigkeitsresearch Union Investment

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