Klimaschutz bleibt der politische Imperativ, doch die Corona-Krise verändert die Vorzeichen
ESG nach Corona - Thesen zu den mittelfristigen Auswirkungen

These 1: Historische Weichenstellung

Klimaschutz bleibt der politische Imperativ, doch die Corona-Krise verändert die Vorzeichen.

Die Corona-Krise hat einige erwartbare, kurzfristige Folgen für den Klimaschutz. Das ist aber kein Systemwechsel!

Die CO2-Emissionen sind durch die Pandemie kurzfristig stark gesunken. Auf das Gesamtjahr gerechnet, könnten weltweit insgesamt bis zu 8 Prozent weniger CO2 ausgestoßen werden. Während die Energiepreise eingebrochen sind, hielt sich der CO2-Preis recht stabil.

Gleichzeitig ist das öffentliche und politische Interesse für den Klimawandel kurz- bis mittelfristig stark gesunken, denn die Pandemiebekämpfung zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Der Klimagipfel (COP26), bei dem wichtige neue Klimaschutzziele verkündet werden sollten, wurde auf 2021 verschoben. Auch weitere politische Maßnahmen wurden zunächst verschoben.

Globale CO2-Emissionen sinken während der Krise

ABER: Was mittel- und langfristig systemisch passiert, entscheidet sich im Hier und Jetzt!

Die bisherigen fiskal- und geldpolitischen Programme zielen auf eine Abschwächung der direkten Effekte der Corona-Krise, dennoch ist die Notwendigkeit zum Handeln beim Klimaschutz genauso groß wie vor der Krise. Und es besteht durchaus neuer Gestaltungspielraum:

Die Industriepolitik (also beispielsweise der staatliche Einstieg wie bei Air France und Lufthansa) und die Gestaltung der Konjunkturprogramme bietet auch mit Blick auf die Klimapolitik neue Steuerungsmöglichkeiten. Daraus resultiert, dass wir vor einer fundamentalen Weichenstellung stehen: Entweder wir nutzen die Corona-Krise, um auch die Klimakrise zu lösen (Szenario: Beschleunigen). Oder wir vergeben diese Chance und verlieren das Rennen um das 1,5-Grad- und wahrscheinlich auch das 2-Grad-Ziel. Die Entscheidung über den jeweiligen Pfad wird heute getroffen. Die jüngsten Konjunkturpakete in der EU zeigen, dass der Klimawandel in der Politik nicht vergessen wurde: Mindestens 25 Prozent der Mittel sollen in grüne Investitionen fließen -  bis zum Jahr 2027 sind das insgesamt 463 Mrd. Euro (Quelle:  Bloomberg 8 Juni 2020).

Grüne Gelder vom EU Konjunkturpaket

Worst-Case-Szenario: Rückwärtsgang

  • Der Klimawandel rückt aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Gleichzeitig zementiert die Corona-Krise nicht nachhaltige Wirtschaftsmodelle und Gewohnheiten, während grüne Innovationen ausgebremst werden
  • Die Konjunkturprogramme nach der Corona-Krise transformieren die Wirtschaft nicht, erschöpfen aber den mittelfristigen fiskalischen Spielraum. Finanziell unterstützt werden fossile Energieträger, Verbrennungsmotoren und die Luftfahrtindustrie. Damit rücken die Pariser Klimaschutzziele in weite Ferne und die Erderwärmung wird unkontrollierbar
  • Plötzliche Rückkopplungen (Kippelemente) werden aktiviert und Teile der Erde unbewohnbar; Hunderte Millionen Menschenleben sind in großer Gefahr

Best-Case-Szenario: Beschleunigen

  • Klimawandel rückt ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit und der Strukturbruch durch die Corona-Krise wird genutzt, um nicht nachhaltige Wirtschaftsmodelle und Gewohnheiten umzustellen. In der Konsequenz unterstützen die Konjunkturprogramme die grüne Transformation
  • Mit den Investitionen werden Automobil-, Luftfahrt- und Energieindustrie nachhaltig transformiert. Durch den Ausbau der Emissionsbepreisung wird CO2 teurer und die Konzerne denken verstärkt über verkürzte Transport- und Lieferketten nach
  • Die Folgen des Klimawandels werden minimiert; die Erderwärmung wird bei 1,5 bis 2 Grad gestoppt. Damit können die großen Küstenstädte gerettet, Hungersnöte verhindert und viele Hundert Millionen Menschenleben gerettet werden
  1. Autor:
    Bastian Grudde, ESG Analyst im Portfoliomanagement bei Union Investment

florian_klimaschutz.mp4
Alle 12 Thesen im Überblick