Die Corona-Krise verändert das Konsumverhalten und hinterfragt globale Lieferketten
ESG nach Corona - Thesen zu den mittelfristigen Auswirkungen

These 9: Fast Fashion ist out

Die Corona-Krise verändert das Konsumverhalten und hinterfragt globale Lieferketten.

Weniger ist mehr: Corona drosselt den Konsum und offenbart die Schwächen der Globalisierung

Der Lockdown hat zur massiven Drosselung des Konsums geführt. Social Distancing macht Shopping auch nach Öffnung der Geschäfte in Stadtzentren weniger attraktiv. Zudem geht die Nachfrage nach neuer Kleidung aufgrund fehlender Anlässe wie Hochzeiten, Partys und Urlaubsreisen stark zurück. Abgesehen von diesen temporären Effekten hinterfragen Konsumenten das lange Zeit gültige Credo einer stetigen Steigerung des Konsums für ein erfülltes Leben. Corona zeigt, dass ein gemäßigter Konsum nicht mit Verzicht einhergeht.

Die Globalisierung wurde lange mit sinkenden Preisen und einem umfangreichen Warenangebot assoziiert und insbesondere in Deutschland, dessen Wohlstand zu großen Teilen auf Handelsüberschüssen basiert, positiv gesehen. Die Corona-Krise offenbart die Schwächen einer globalisierten Welt: zunehmende Abhängigkeit und fehlende Agilität, wenn der Welthandel stillsteht. Corona könnte einen Trend zur lokalen Produktionsverlagerung auslösen. Für die Modebranche heißt das in Zukunft: Adieu Preiskampf und Überkonsum!

Bekleidungsmarkt Großbritannien

Die Produktionsverlagerung in Billiglohnländer führt seit mehr als 20 Jahren zu sinkenden Preisen für Kleidung. Beispielsweise konnten im Zeitraum von 1992 bis 2009 in Großbritannien die Preise trotz moderater Inflation um mehr als 60 Prozent (kumulativ) gesenkt werden.

Konsumenten begegnen dieser Entwicklung mit steigenden Einkäufen. In den letzten 20 Jahren haben sich die Stückzahlen in Großbritannien verdreifacht: 2015 wurden mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert – das ist doppelt so viel wie noch im Jahr 2000. Im Gegenzug hat sich die Lebensdauer dieser Kleidungsstücke drastisch verkürzt: Die durchschnittliche Anzahl, die ein Kleidungsstück in China getragen wurde, bevor es entsorgt wird, ist von 2002 bis 2016 von mehr als 200-mal auf 62-mal gefallen.

Neue Spielregeln für Bekleidungshersteller

Ein Corona-induzierter Trendwechsel hat auch Auswirkungen auf die Produzenten, denn Bekleidung unterliegt der Annahme eines abnehmenden Grenznutzens: Jedes zusätzlich erworbene Kleidungsstück bringt einen geringeren zusätzlichen Nutzen. Bekleidungsunternehmen können deshalb in Zukunft nicht ausschließlich auf steigende Stückzahlen setzen. Langfristig erfolgreich werden vor allem Bekleidungsunternehmen sein, die auf Qualität und Langlebigkeit von Textilien setzen und ihr Geschäftsmodell klar von Fast Fashion abgrenzen.

Langlebige Textilien sind gut für die Umwelt

2015 betrugen die  CO2-Emissionen der Textilindustrie insgesamt 1,2 Milliarden Tonnen. Das übersteigt die Emissionen, die der internationalen Luft- und Schifffahrtbranche zuzurechnen sind: Setzen die Modeketten den aktuellen Trend des Überkonsums fort, werden voraussichtlich 25 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen bis 2050 der Textilindustrie zuzurechnen sein.

Selbst wenn aussortierte Kleidungsstücke durch solche aus recycelten Materialien und einer ressourcenschonenderen Produktion ersetzt werden, ist der ökologische Fußabdruck größer, als wenn das ursprüngliche Kleidungsstück länger getragen worden wäre.

Verschiebungen in der Lieferkette mindern Reputationsrisiken

Unzureichende Arbeitsbedingungen in Niedriglohnländern werden seit Jahren kritisiert, doch der Preiskampf verhinderte signifikante Verbesserungen. In der Corona-Krise storniert die Modebranche nun vermehrt Aufträge an Zulieferer in Bangladesch, Myanmar und Kambodscha.

Der Trend hin zur lokalen Produktion würde Reputationsrisiken in der Zuliefererkette aus Unternehmenssicht ein Ende setzen.

  1. Autorin:
    Dijana Bogdanovic, ESG Analystin im Portfoliomanagement bei Union Investment
Alle 12 Thesen im Überblick